Die Generationsbrücke Deutschland initiiert, leitet und begleitet regelmäßige Begegnungen zwischen Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen einerseits und Kindergarten-/Schülergruppen andererseits mit dem Ziel, durch die Beschäftigung MITEINANDER die Lebensqualität und –freude aller Beteiligten, vor allem auch Demenzkranker, nachhaltig zu erhöhen und die junge Generation für die Lebenssituation und Bedürfnisse alter und pflegebedürftiger Menschen zu sensibilisieren.
Gesellschaftliche Herausforderung:
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Zusammensetzung der Weltbevölkerung dramatisch verändert: Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich von 1950 bis 2010 von 46 auf 68 Jahre gesteigert und wird zum Ende des Jahrhunderts voraussichtlich bei 81 Jahren liegen. Erstmals wird es weltweit in der Geschichte der Menschheit im Jahr 2050 mehr Personen über 60 Jahre als Kinder geben. Derzeit sind nahezu 700 Millionen Menschen über 60 Jahre alt, im Jahr 2050 werden es bereits zwei Milliarden sein, d.h. über 20 Prozent der Weltbevölkerung. Deutschland ist von dieser Entwicklung ganz besonders betroffen. Deshalb sollte unsere Gesellschaft den Fokus deutlich stärker auf unsere alten, vor allem auch pflegebedürftigen Menschen und ihre Bedürfnisse richten. Wenngleich die Altenpflegeeinrichtungen in Deutschland mittlerweile durch gesetzliche Vorgaben und entsprechende Kontrollmechanismen ein meist gutes Niveau in der pflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung erreicht haben, wird dieses alleine den wirklichen Bedürfnissen dieser gesellschaftlichen Gruppe nicht gerecht: „Satt und sauber“ erfüllt zwar die gesetzlichen Mindestanforderungen, aber reicht keinesfalls für ein Altern und Leben in Würde und Freude. Der Blick über den Tellerrand – konkret in die USA – zeigt, dass dort den sehr viel schlechteren pflegerischen und hauswirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine qualitativ wie quantitativ deutlich bessere soziale Betreuung gegenübersteht. Davon können wir lernen. Die pflegerische Grundversorgung macht einen Pflegeheimbewohner in der Regel nicht glücklich – sie wird vielmehr als notwendiges Übel gesehen. Was ihn wirklich erfreut sind soziale Betreuungsangebote, die Wertschätzung, Zuneigung und Herzenswärme zum Ausdruck bringen. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Leiter eines Altenpflegeheims weiß ich, dass nichts und niemand einem alten Menschen in seinen letzten Lebensjahren, oftmals auch nur –monaten oder –wochen, soviel Freude bereiten können, wie Kinder und Jugendliche. Dafür bedarf es auch eines gesellschaftlichen Wandels, der der Zuwendung zu alten und pflegebedürftigen Menschen einen größeren Stellenwert einräumt. Beginnt man damit im frühen Kindheitsalter, erreicht man direkt einen doppelten Nutzen: Die Kinder, die z.B. im Rahmen der Generationsbrücke regelmäßig mit alten und pflegebedürftigen Menschen singen, tanzen, basteln und spielen, bereiten den Senioren nämlich nicht nur viel Freude, sondern lernen dabei gleichzeitig, dass Alter, Pflegebedürftigkeit und Demenz mit zu unserem Leben gehören. So werden die Kinder frühzeitig und nachhaltig sensibilisiert, sich auch um die Bedürfnisse der immer schneller und stärker wachsenden Gruppe alter Menschen zu kümmern, was gerade in der heute von viel Oberflächlichkeit geprägten Zeit besonders wichtig und wertvoll ist.
Unser Konzept:
Die Generationsbrücke Deutschland initiiert, leitet und begleitet regelmäßige, längerfristige Begegnungen zwischen Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen einerseits und Kindergarten- und Schulkindern andererseits. Ziel ist es, durch die Beschäftigung MITEINANDER die Lebensqualität und –freude aller Beteiligten, vor allem auch Demenzkranker, zu erhöhen. Individuell wie auch gesellschaftlich profitieren davon beide Generationen in gleichen Maße: Für die alten und pflegebedürftigen Menschen bringt keine andere soziale Aktivität so viel positive Abwechslung und Freude in den oftmals tristen und einsamen Heimalltag. Gleichzeitig werden sie wieder stärker in unsere Gesellschaft integriert. Die Kinder und Jugendlichen wiederum erleben Wertschätzung, Herzenswärme und besondere Zuneigung. Sie können von der Lebensweisheit und –erfahrung der alten Menschen profitieren und lernen frühzeitig, Alterungsprozess, Pflegebedürftigkeit, Demenz und letztlich auch den Tod als normale Lebensumstände zu erkennen. Gerade Kinder und Jugendliche aus gestörtem Sozialmilieu erleben durch ihr intergeneratives Engagement oftmals ein ganz neues Selbstwertgefühl und die Vermittlung echter menschlicher Werte. Dazu arbeitet die Generationsbrücke Deutschland mit klaren Strukturen und Programmen und legt besonderen Wert auf die standardisierte Vorbereitung und Schulung der Teilnehmer und die fachliche Begleitung bei den Begegnungen. Regelmäßig und langfristig (monatlich oder vierzehntätig über mindestens ein Schuljahr) besuchen Schüler bzw. Kindergartenkinder in Gruppen von 8-12 die jeweils selben Bewohner einer Altenpflegeeinrichtung, wobei jedes Kind einen festen Bewohnerpartner zugeordnet bekommt, damit ein nachhaltig vertrautes Verhältnis entstehen kann. Zunächst werden den Kindern in einer einstündigen interaktiven Orientierungsveranstaltung Hintergrundinformationen über Pflegeheime und Pflegebedürftigkeit gegeben sowie theoretische Kenntnisse und praktische Hilfestellungen für die Besuche in den Altenpflegeeinrichtungen vermittelt. Hierbei wird besonderes Gewicht auf altersgerechte Informationen zum Thema Demenz sowie weitere den Besuch beeinflussende Gebrechen der Bewohner gelegt. Während der eigentlichen Pflegeheimbesuche werden dann gemeinsame Aktivitäten wie Lesen, Singen, Tanzen, Basteln, Spielen etc. in einen gleichbleibenden rituellen Begrüßungs- und Verabschiedungsrahmen eingebunden, der beiden Generationen Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Während bei den Kindergartenkindern der Schwerpunkt auf der Begegnung mit dementiell veränderten Menschen liegt, werden die Schüler verstärkt mit den geistig noch fitteren Bewohnern zusammen gebracht, um auch gemeinsam Rätsel zu lösen und pantomimische Ratespiele (z.B. Beruferaten) zu machen und so die geistigen Rest-Kapazitäten der Bewohner zu fordern und fördern.
Die Besonderheiten des Konzepts:
Unsere Arbeit basiert auf drei grundlegenden Säulen, die unser Konzept von “klassischen Kindergarten-Vorsingbesuchen” unterscheiden:
1. Eine gute VORBEREITUNG der Kinder und Jugendlichen: Für einige Kinder und Jugendliche ist der anstehende Besuch im Pflegeheim die erste Begegnung mit Menschen, die durch physische oder psychische Pflegebedürftigkeit in ihrer Alltagskompetenz stark eingeschränkt sind. Deshalb ist es besonders wichtig, den jungen Teilnehmern im Vorfeld des ersten Besuchs zu vermitteln, was sie erwartet und was wir von ihnen erwarten. Nur so lassen sich Berührungsängste – im übertragenen wie im wörtlichen Sinne – vermeiden bzw. frühzeitig abbauen.
2. Eine auf REGELMÄSSIGKEIT und LANGFRISTIGKEIT ausgelegte Zusammenarbeit: Erst durch die regelmäßigen Begegnungen über einen längeren Zeitraum (mindestens ein Jahr) können Beziehungen entstehen, die sich oftmals auch in Besuchen der Kinder und Jugendlichen (zusammen mit ihren Familien) bei ihrem Pflegeheimpartner außerhalb der eigentlichen Besuchsveranstaltungen niederschlagen.
3. Bei den Besuchen erfolgen gemeinsame Aktivitäten MITEINANDER. „Miteinander“ statt „füreinander“ ist der wichtigste Schlüssel, um die Besuche der Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu nutzen und beiden Generationen größtmögliche Freude zu bereiten. Beim gemeinsamen Singen, Basteln, Tanzen, Raten und Lesen werden Grenzen überwunden und Berührungsängste abgebaut. Die gemeinsame Zeit wird von beiden Generationen als bereicherndes Erlebnis empfunden.
Entwicklung / Nachhaltigkeit:
Was zunächst im Mai 2009 als „Generationsbrücke Aachen“ gegründet wurde, setzt sich seit dem 01.01.2012 als „Generationsbrücke Deutschland“ fort. Die Generationsbrücke Deutschland hat sich die die bundesweite Skalierung des Konzeptes zur Aufgabe gemacht und arbeitet derzeit mit 25 Kooperationspartnern zusammen, wovon sich die meisten (15) in NRW befinden. Die Schirmherrschaft haben der frühere ARD Tagesthemen-Moderator und heutige WDR Intendant Tom Buhrow und seine Ehefrau, die Autorin Sabine Stamer übernommen. Mittlerweile ist es gelungen, auch die NRW Landesregierung für das Konzept der Generationsbrücke Deutschland zu begeistern, was sich u.a. in entsprechenden Einladungen und Besuchen von Familienministerin Ute Schäfer und Staatssekretärin Marlis Bredehorst niederschlägt. Bundesweit kam es darüber hinaus zu Begegnungen mit Bundeskanzlerin Merkel, Bundespräsident Gauck, Bundesaußenminister Westerwelle und Bundesfamilienministerin Schröder. International stellte sich die Generationsbrücke Deutschland im Auftrag der Bundesregierung auch bei den Vereinten Nationen in New York im Rahmen der „Open-ended Working Group on Ageing“ vor.
Ziele:
Neben der NRW- und bundesweiten Skalierung des Konzeptes liegt eine weitere langfrsitige Zielsetzung in der gesetzesmäßig verankerten Implementierung solcher generationsübergreifender Begegnungen in die Bildungspolitik, nachdem erste Schulen diese bereits in ihren Lehrplan integriert haben.
Sorry, the comment form is closed at this time.