Foto: Elisabeth Schmelzer
Was ist die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“?
Die Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) für die Jahre 2005 bis 2014 ist ein Aufruf der Vereinten Nationen, der ursprünglich aus dem Impuls des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (2002) zehn Jahre nach der Weltkonferenz in Rio entstanden ist, bei der sich schon damals die teilnehmenden Nationen zur nachhaltigen Entwicklung („sustainable development“) verpflichtet hatten. Die UN-Mitgliedsstaaten sind in der UN-Dekade-Resolution (2005 – 2014) übereingekommen, in diesen 10 Jahren besonders intensive Anstrengungen zu unternehmen, um das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in allen Bereichen der Bildung zu verankern.
Auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses des Deutschen Bundestages wird die Umsetzung der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in Deutschland von der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) koordiniert. Dafür wurde ein Nationalkomitee berufen.
Die Umsetzung der Dekade wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Bildung für Nachhaltigkeit vermittelt Wissen und Kompetenzen über die globalen Zusammenhänge und ihre Herausforderungen hinsichtlich der drei Nachhaltigkeits-Dimensionen Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Die Bildung für Nachhaltigkeit versetzt Kinder, Jugendliche und Erwachsene in die Lage, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt.
Die Waldorfschule praktiziert Nachhaltigkeit in ökologischen, ökonomischen und sozialen Lebensbezügen
Die Schule im Grünen
Die Freie Waldorfschule Minden sieht sich verpflichtet, die nachhaltige Entwicklung („sustainable development“) im Rahmen der lokalen Agenda 21 zu sichern und voranzutreiben, um so dem Anspruch einer „Schule im Grünen“ gerecht zu werden. Dazu gehören die ökologische Grundausstattung mit Schulteich, großem Schulgarten, reichhaltigem Obstbaumbestand, über das ganze Schulgelände verteilt, und die zahlreichen kleinen Rückzugsgebiete und ökologischen Nischen für bedrohte Wildpflanzen und Tiere sowie bunte Knicks und Sträucherareale aus einheimischen Gehölzen. Das Anliegen, umweltbewusst und naturverträglich zu handeln, wird nicht nur schulintern verwirklicht, sondern auch nach Außen getragen, um für die Idee der grünen Schule zu werben. So nimmt die Waldorfschule Minden regelmäßig an Umweltprojekten wie dem Umwelttag der Stadt Minden teil.
Seit dem Jahre 2011 bewirtschaftet die Waldorfschule einen Bio-Acker in der Feldmark nach biologisch-dynamischen Maßstäben und im Sinne der UNESCO-Dekade-Resolution „Bildung für nachhaltige Entwicklung“(BNE).
BNE als Motor, sich intensiver mit der Nachhaltigkeit zu beschäftigen
Die Bildungsoffensive der Vereinten Nationen ist in der Waldorfschule auf offene Ohren gestoßen. Die Schule hat davon erfahren, als die Stadt Minden als Modellkommune der UN-Dekade ausgezeichnet wurde und ein Workshop mit Prof. Gerhard de Haan, Vorsitzender des Deutschen Nationalkomitees für die UN-Dekade, stattfand. Bei diesem Workshop wurde das Anliegen kundgetan, den Gedanken der Nachhaltigkeit in die gesamte Schullandschaft des Kreises Minden-Lübecke weiterzutragen und in den Bildungseinrichtungen zu verankern. Die Waldorfschule Minden hat diesen Impuls aufgenommen und hat beschlossen, den Bio-Acker als nachahmenswertes Beispiel für nachhaltige Entwicklung bekannt zu machen und als Pilot-Projekt der regionalen Schullandschaft bei der deutschen UN-Dekade-Kommission zur Auszeichnung einzureichen.
Die Bedeutung des Bio-Ackers als Bestandteil eines Gesamtkonzeptes der Schule in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht darzustellen – diese Aufgabe hat sich die Waldorfschule gestellt. Die weltweite Bildungsoffensive der Vereinten Nationen und die mehrfache Präsenz von Vertretern der Deutschen UNESCO-Kommission in Minden hat uns in unserer Motivation bestärkt hier an der Waldorfschule Minden auch ein besonderes Zeichen zu setzen. „Global denken, lokal handeln“ – dieser Leitspruch aller AGENDA-21-Aktivitäten gilt auch für die Waldorfschule. Das BNE-Projekt gibt uns einen weiteren Anschub, in dieser Richtung noch mehr zu tun.
Die Schule setzt ökologische Theorie in die Praxis um
Die Waldorfschule hat das ökologische Anliegen und seine praktische Umsetzung essentiell in ihrem Lehrplan
• Gartenbau-Unterricht in der Mittelstufe im schuleigenen Garten
• Ackerbau-Epoche in der 3.Klasse auf einem Acker in Kooperation mit einem Biobauern
• Ernährungslehre als Epochen-Unterricht in der Mittelstufe
• Landbaupraktikum in der 9.Klasse auf dem ökologisch wirtschaftenden Bauckhof in Amelinghausen
Foto: Elisabeth Schmelzer
Perfekte Einheit von Ökologie und Ökonomie
Mit dem Bio-Acker vermittelt die Schule nicht nur theoretisches und praktisches Grundwissen, sondern sie verbindet damit auch ökonomische Belange. Eine bessere Verknüpfung von Ökologie und Ökonomie in der Erzeugung von gesunden Lebensmittel für die schulische Verpflegung ist kaum vorstellbar. Die ökologisch angebauten Erzeugnisse des Ackers von Kartoffeln bis Hokkaidos finden großteils Verwendung in der Schulmensa, in der auch Schüler mithelfen, die frisch geernteten Feldfrüchte und Salate tischfertig zu machen.
Die Erzeugnisse vom Bio-Acker sind eine echte finanzielle Unterstützung für die Mensa. Es zeichnet sich eine gute Ernte in diesem Spätsommer ab. Wir können die Mensa für Monate mit frischem Gemüse und Bio-Kartoffeln versorgen. Mit der regionalen Wertschöpfung entspricht das Bio-Acker-Projekt den Empfehlungen der Welternährungsorganisation, möglichst hochwertige, „fair“ produzierte und gehandelte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der eigenen Region zu beziehen, um lange Energie verbrauchende Transportwege über immense Entfernungen hinweg zu vermeiden. Im Fortschrittsbericht 2012 „Nationale Nachhaltigkeitsstrategie“ der Bundesregierung heißt es in Hinblick auf die Nachhaltigkeitskonferenz in Rio de Janeiro, in dem auch unternehmerische Verantwortung angemahnt wird (Corporate Social Responsibility, CSR): „Von besonderer Bedeutung ist, dass immer mehr Menschen ihre Kaufentscheidungen nicht nur von Preis, Marke und Qualität, sondern auch von einer nachhaltigen und sozial verantwortlichen Herstellung und Verarbeitung der Produkte abhängig machen.“
Soziales Engagement auch über die Grenzen hinweg
Die Freie Waldorfschule Minden legt wert darauf, dass die Schüler und Schülerinnen soziale Kompetenzen erwerben. Dazu dient u.a. das vierwöchige Sozialpraktikum in der 11.Klasse, in dem sie in einer Behinderteneinrichtung, in einem Kindergarten oder in einem Seniorenheim Dienst leisten. Außerdem engagiert sich die Waldorfschule in der Tschernobylkinderhilfe Minden , die im Jahre 2003 in unserer Schule gegründet worden ist. Seitdem kommen jeden Sommer über 40 Tschernobylkinder aus Belarus zur Erholung nach Minden. Sie werden vormittags an unserer Schule betreut. Es ist angedacht, dass die Kinder in Zukunft auch in der Mensa zu Mittag essen, um ihnen die Kost aus der Öko-Küche schmackhaft zu machen.
Auch der Kontakt zu Sekem ist hier als Beispiel zu nennen. Dieser Kontakt ist im Rahmen einer Jahresarbeit von einem Schüler durch einen persönlichen Besuch in der „Oase in der Wüste“ geknüpft worden. Die Sekem-Farm, nordöstlich von Kairo gelegen, betreibt den Ackerbau nach biologisch-dynamischen Richtlinien und orientiert sich in sozialer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht an den Grundlagen der Waldorfpädagogik. Sekem-Erzeugnisse werden beim Martinsmarkt der Waldorfschule Minden angeboten, ebenso wie Produkte des fairen Handels aus dem Eine-Welt-Laden.
Soziale Funktion des Bioackers
Der Schulacker hat eine wichtige soziale Funktion. Kinder, die eine besondere Betreuung benötigen, gehen, von einer Integrationskraft begleitet, fast täglich auf den Schulacker, um dort einen handwerklich-praktischen Ausgleich zum normalen Schulunterricht zu erfahren. Der Schulacker wird als Betätigungsfeld für Integrationskinder in Zukunft eine noch viel größere Rolle spielen, wenn in der Umsetzung der „EU-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ die Inklusion obligatorisch wird und Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in den Schulen unterrichtet werden. Der Umgang mit der Erde ist sinnvoll und heilsam. Die Ackerarbeit ist Inklusion schlechthin.
Als einzelner kann man auf dem Bio-Acker dem Beikraut nicht beikommen.
Nach den Sommerferien erging ein Aufruf an die Schulgemeinschaft, der flächendeckenden, meterhohen Melde, die die Kulturpflanzen überwucherte, Herr zu werden. Der Aufruf blieb nicht ungehört. In einer Groß-Aktion wurde mit Hacken, Scheren, Messern und Freischneider das Wildkraut in den Gemüsekulturen beseitigt. Bei allen Tätigkeiten auf dem großflächigen Acker ist Teamwork gefordert. So fördert das Projekt die Solidarität von Schülern, Lehrern und Eltern. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit Bio-Bauern verstärkt werden und die Kooperation mit externen Initiativen ist angedacht. Dazu zählt der interkulturelle Garten in Minden, den eine ehemalige Schülermutter mitgegründet hat.
Realität und Vision
Damit der Bio-Acker in den Händen der Schule nicht nur eine Eintagsfliege ist, sondern über Jahre erhalten bleibt, muss das Projekt auf eine solide ökonomische Basis gestellt werden. Schon jetzt zeigt sich, wie notwendig es ist, eine Person auf dem Acker zur Verfügung zu haben, welche die Fäden in der Hand hält, kontinuierlich die Aufgaben koordiniert und den Betrieb am Laufenden hält. Bisher haben die Erfahrungen gezeigt, dass aufgrund der Dichte des Stoffplans die Lehrer sich die Zeit stehlen müssen, um mit ihren Klassen die anstehenden Feldarbeiten regelmäßig zu leisten.
Unsere Vision ist es, mit der Ackerbetreuung eine gärtnerisch bewanderte, engagierte Person zu beauftragen, damit das Ackerbau-Projekt dauerhaft gesichert und ausgebaut werden kann. Eine einzurichtende Koordinationsstelle sollte dann nicht nur schulintern wirken, sondern Knotenpunkt und Info-Börse für Gleichgesinnte und Interessierte sein, die sich ebenfalls mit der Idee eines Bio-Ackers befassen oder im Sinne von „urban gardening“ tätig werden wollen. Eine internetfähige, interaktive Umgebung sollte das ermöglichen. Bei einer solchen Anlaufstelle können sich Einzelpersonen, Familien, Schulen oder andere Bildungseinrichtungen informieren und praktische Tipps einholen, wenn es darum geht, eine landwirtschaftliche Parzelle zu erwerben und zu bewirtschaften.
Foto: Elisabeth Schmelzer
Ausstrahlung und Öffentlichkeitswirksamkeit der Teilnahme am UN-Dekade-Nachhaltigkeitsprojekt
Als konsequente Fortführung der Teilnahme am UN-Dekade-Projekt hat sich die Schule entschlossen, an einem weiteren Wettbewerb zur Erhaltung der Umwelt und Natur teilzunehmen, dem Klimaschutz-Wettbewerb „Blue Skies Award“, ausgeschrieben von EUROPARC. Hier hat das Klimateam der 10. Klasse den Bio-Acker der Schule und seine vielfältige Bedeutung dokumentiert mit dem Projekt-Titel „Vom Schulacker auf den Mensatisch“. Das Klimateam hat den ersten Preis gewonnen und durch das große mediale Echo den Gedanken „Bildung für Nachhaltigkeit“ und seine praktische Umsetzung einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Darüber hinaus hat das Klimateam zum Jahrestag von Tschernobyl (26.April) selbst eine Baumpflanzaktion und einen Workshop über regenerative Energien organisiert und durchgeführt. Durch die Preisverleihung des „Blue Skies Award“ im Festsaal der Waldorfschule haben die Schüler und Schülerinnen gemerkt, dass ihr Einsatz für ein nachhaltiges Leben gewürdigt wird. Eine solche Auszeichnung bestärkt die Kinder und Jugendlichen, sich weiterhin für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen zu engagieren.
Wie der Bioacker in den Unterricht geholt wird
Was die Kinder und Jugendlichen auf dem Bioacker im direkten Kontakt mit den Wildpflanzen und Kulturpflanzen, mit dem Bodenleben und den ungeliebten Nahrungskonkurrenten („Schädlingen“) hautnah erfahren, das wird im Unterricht theoretisch aufgearbeitet. Das eigene Erleben der biologischen Vorgänge und Verhältnisse auf dem Acker bewirkt eine viel tiefere Verankerung der Lerninhalte, als wenn diese nur theoretisch vermittelt werden. Die Verbindung von Praxis und Theorie bewirkt, dass der Lernstoff besser haften bleibt, im Langzeitgedächtnis gespeichert wird – auch eine Form der Nachhaltigkeit.
Der Besuch des Bioackers ist lebendiger Unterricht. Exemplarisch soll das hier an der Gefährdung der Wildpflanzen, im Zusammenhang mit dem weltweiten Verlust der Artenvielfalt angesprochen werden.
Dabei stehen die grundlegenden Einsichten, welche die Schüler auf dem Acker erfahren, immer im Hintergrund, ohne dass sie hier thematisiert werden: Die Produktion von Lebensmitteln, umweltschonend nach Kriterien der Nachhaltigkeit erzeugt, erfordert einen großen Aufwand und ist mit mühevoller Arbeit verbunden Nach Billigprodukten in den Supermarktregalen zu suchen, diese Verhaltensweise werden sich Menschen mit ökologischer Bildung zweimal überlegen. Das ökologische und soziale Bewusstsein wachsen zu lassen, dazu trägt der globale UN-Dekade-Aufruf „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ bei. Die Waldorfschule Minden leistet einen lokalen Beitrag dazu mit dem Projekt „Vom Schulacker auf den Mensatisch“.
Einblicke in die praktische Arbeit auf dem Bio-Acker und ihre theoretische Fundierung
Lage des Bio-Ackers
Der Bio-Acker liegt in der Feldmark von Haddenhausen und ist über Wirtschaftswege gefahrlos und fußläufig in wenigen Minuten von der Waldorfschule aus zu erreichen. Er wurde der Waldorfschule von Bio-Bauer Günter Becker im Jahre 2011 zur Verfügung gestellt mit der Auflage, ihn nach den Kriterien des Öko-Landwirtschaft zu bewirtschaften.
Kriterien des biologisch-dynamischen Landbaus
Im ökologischen Landbau sind Spritzmittel und Kunstdünger tabu, und eine Fruchtfolge ist einzuhalten. Mit dem Verzicht auf Herbizide, Insektizide, Fungizide usw. – mit dem Verzicht auf alle möglichen chemischen Biozide – und mit dem Verzicht auf Kunstdünger sind andere Methoden einzusetzen, um die Kulturpflanzen gedeihen zu lassen und den Boden gesund zu erhalten. Hier sind die mechanische, arbeitsintensive Beseitigung von Wildkräutern zu nennen und die Versorgung des Ackers mit Komposterde.
Beispiel: Pflügen und Säen der 3.Klasse
Im Lehrplan der 3. Klasse sind die Handwerker-, Hausbau- und Ackerbau-Epoche fest verankert. Die Kinder sollen die „Urtätigkeiten der Menschheit“ kennenlernen und – sowohl Jungen wie Mädchen – handwerklichen Fähigkeiten erlernen.
Zwecks Vorbereitung des Ackers für das Einbringen des Saatguts werden die Drittklässler auf schweißtreibende Weise eingespannt – vor den Pflug gespannt. Sie ziehen wie beim Tauziehen den Pflug selbst an einem langen Seil. So ziehen sie Furche um Furche. Ebenso ziehen sie die Egge, um schließlich auf der einen Parzelle Korn zu säen, auf einer anderen Kartoffeln zu setzen. Hier merken die Schüler zum ersten Mal, dass, um später Früchte zu ernten, anstrengende körperliche Vorarbeit geleistet werden muss. Den Kindern soll nahe gebracht werden, dass die Erde ein lebendiger Organismus ist, den es zu achten gilt. Das Korn wird mit der Hand ausgesät. Die Schüler sprechen dabei im Rhythmus des Schreitens und des Körnerstreuens den Säerspruch von Conrad Ferdinand Meyer:
Säerspruch
Bemesst den Schritt!
Bemesst den Schwung! Die Erde bleibt noch lange jung!
Dort fällt ein Korn, das stirbt und ruht.
Die Ruh ist süß. Es hat es gut..
Hier eins, das durch die Scholle bricht.
Es hat es gut. Süß ist das Licht.
Und keines fällt aus dieser Welt
Und jedes fällt, wie´s Gott gefällt.
Beispiel: Wie gehen die Schüler mit der Ackerbegleitflora um?
Die Schüler erfahren,, dass es einer regelmäßigen Arbeit bedarf, um die Kulturpflanzen zum Wachsen und Gedeihen zu bringen, damit sie von den Wildkräutern nicht überwuchert werden. Das machte sich in diesem Jahr (2012) besonders bemerkbar, weil während der langen Sommerferien keine Pflege der Kulturpflanzen stattfand. Die Melde überwucherte flächendeckend die Hokkaidos, Kartoffeln und die Salatpflanzen. Mit einem Großeinsatz von Eltern, Lehrern und Schülern wurde der Acker vom übermäßigen Wildkrautbewuchs befreit. Aber das heißt nicht, das Wildkraut auszurotten. Es gehört als Ackerbegleitflora zur Lebensgemeinschaft auf dem Felde dazu. Nur es muss in Schach gehalten werden und es bekommt am Feldrand einen Platz zugewiesen, wo es bleiben und sich entfalten kann: das Hirtentäschekraut, das Hellerkraut, der Schwarze Nachtschatten, die Kornblume, die Mohnblume.
Die Kinder sehen hier oft zum ersten Mal in ihrem Leben die Wildpflanzen und lernen sie mit Namen kennen. In der Intensiv-Landwirtschaft haben sie keinen Platz mehr. Um so wichtiger ist es, sie hier auf dem Bio-Acker zu erhalten. Im Öko-Landbau wird die Landschaft nicht ausgeräumt und verkommt nicht zur Monokultur. Das lernen die Schüler durch eigene Anschauung auf dem Bio-Acker und sie gehen liebevoll mit den oft grazilen Geschöpfen um, auch wenn sie mitunter lästig werden.
Das bedeutet nicht, einer romantisierenden Landwirtschaft frühere Zeiten das Wort zu reden. Die Rückkehr zu unrentablen Anbaumethoden, ohne die technischen Hilfsmittel, die der Landwirtschaft heute zur Verfügung stehen, wäre eine unsinnige Forderung, die keiner will. Nicht Rückkehr, sondern Rücksicht auf die Ackerbegleitflora ist gefordert, um den rapiden Rückgang der Artenvielfalt einzudämmen und um dem damit verbundenen Verlust der heimischen Tierwelt entgegenzuwirken.
Auch hier sollen die Schüler ein Gefühl dafür bekommen, dass die Wildpflanzen unbedingt geschützt werden müssen. In einem von Julius Sturm verfassten Gedicht aus Erwachsenen- und Kindersicht wird die Problematik sehr anrührend dargestellt:
Der Bauer und sein Kind
Der Bauer steht vor seinem Acker
und zieht die Stirne kraus in Falten:
„Ich hab den Acker wohl bestellt,
auf reine Aussaat streng gehalten.
Nun seh mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan.“
Da kommt sein Knabe hochbeglückt,
mit bunten Blumen reich beladen.
Im Felde hat er sie gepflückt:
Kornblumen, Mohn und Raden.
Er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott gemacht!“
Beispiel: Gemüseernte mitten im Januar
Ein Bericht aus dem Elternbrief der Freien Waldorfschule Minden:
„Nach dem ersten Frost durften durften wir endlich unseren Grünkohl ernten, nachdem die Rehe auf dem Feld schon reichlich davon gekostet hatten“, sagt Schulbegleiterin Regina Damke, die mit vielen Kindern aus der 3.Klasse auf dem Acker tätig ist. Jetzt im Januar konnten die Kinder Winterpostilein, Feldsalat, Porree, Spinat und Grünkohl für die Mensa vom Feld holen.Bio-Lehrer Hartmut Karge wunderte sich, dass jetzt noch so viel Leben auf dem Acker zu finden ist. Feldsalat und Postilein sind Kaltkeimer. Regina Damke brauchte kein Gewächshaus zum Vorkeimen. Unter freiem Himmel gediehen die Sämereien in Vorziehkästen, die von den Kindern betreut wurden. Zum Pikieren hatten die Drittklässler die Pflänzchen vier Wochen zuvor zum Acker gebracht. Trotz der Kälte fühlen sich die Kinder auf dem Acker wohl. Die Tätigkeit an der frischen Luft ist gesund und das Wintergemüse auch.
Foto: Elisabeth Schmelzer
Vom Bio-Acker frisch auf den Mensatisch
Der Mensaspeiseplan wird bereichert durch die Erzeugnisse vom eigenen Feld. Wenn die Schulgemeinschaft zukünftig den gesamten 6 ooo qm großen Acker bestellen kann, dann wird die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln vom Feld, besonders mit Kartoffeln, Korn und anderen Feldfrüchten, eine echte finanzielle Unterstützung des Mensabetriebs sein und damit eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung darstellen. Die Schulmensa der Freien Waldorfschule Minden ist bestrebt, einen Speiseplan aus vorwiegend ökologisch hergestellten und aus dem fairen Handel stammenden Produkten anzubieten. Dazu gehört auch, dass der Fleischverzehr eingeschränkt wird. Es ist selbstverständlich, dass das Fleisch ausschließlich aus der artgerechten Tierhaltung kommt und nicht aus der Massentierhaltung
Bio-Acker als innovatives Pilot-Projekt der Nachhaltigkeit und organischer Bestandteil des Schulprofils
Das Projekt „Vom Schulacker auf den Mensatisch“ passt zum Leitbild der Freien Waldorfschule Minden, das auf Grundwerte wie die „Bewahrung der Schöpfung“ abhebt. Die Waldorfschule propagiert nicht nur den verantwortungsvollen Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen, sondern sie ist bestrebt, dieses Anliegen auch in die Tat umzusetzen. Der Schulacker als innovatives Pilot-Projekt ist ein weiterer Baustein der Nachhaltigkeit, der sich in das Gesamtbild des Schulprofils organisch einfügt.
Kontakt:
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Haberbreede 37
32429 Minden
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