Die mageren Ergebnisse der letzten UN-Klimakonferenzen in Kopenhagen und in Durban, die Enttäuschung des Weltgipfels Rio+20 sowie das Missverhältnis zwischen Ökonomie und Demokratie, Privatem und Gemeinwesen, das die jetzige Finanzkrise in unserer Gesellschaft offenbart, erfordern einen Strategiewechsel auf den Weg zu einer zukunftsfähigen Entwicklung. Die nationalen Regierungen sowie die Stadtverwaltungen erscheinen fast unbeweglich im Umgang mit den epochalen sozialen oder ökologischen Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Kulturell halten sie oft an alten Dogmen fest (u.a. Wirtschaftswachstum als höchstes Ziel); politisch sind sie im Sparzwang gefangen. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entwicklungen erscheint die Erwartung, dass ein nachhaltiger Wandel aus den Zentren der Weltgesellschaft kommen würde, überholt. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit nun nach „unten“, auf die marginalisierten Dimensionen der gesellschaftlichen Entwicklung, auf die Regionen und auch auf die Peripherien.
Um die notwendige Transition in Richtung postfossile Gesellschaft einzuleiten, setzt dieses Projektkonzept auf eine Bottom-Up-Strategie. Es geht um den Versuch, eine ganze Stadt zu einem „Nachhaltigskeitslabor“ bzw. zu einer „Werkstatt der Nachhaltigkeit“ umzuwandeln. Die Akteure, die diesen Prozess gestalten und vorantreiben, sind unter anderem die Umweltinitiativen, die Zivilgesellschaft, die kulturellen Einrichtungen; die Kreativen, die Migranten, die Landwirte aus der Region…
Der „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit/Tag des guten Lebens“, der vorerst einmal im Jahr stattfinden soll, ist kein „Event“, sondern ein Schrittmacher, ein Taktgeber in einer umfangreichen Transformation der Stadt in Richtung Nachhaltigkeit. Ab dem Jahr 2013 soll jährlich eine relevante und dauerhafte Innovation in der Stadt umgesetzt werden. Am „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit/Tag des guten Lebens“ soll diese Innovation in der breiten Öffentlichkeit angekündigt und gefeiert werden. Über die Bedeutung der Transformation wird die Bevölkerung durch Vorträge und künstlerische Interventionen aufgeklärt. Die Institution, die die nachhaltige Innovation initiiert hat und seine Umsetzung verantwortet, genießt an dem Tag die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit der Stadt. Die Anerkennung und der Dank der Gesellschaft für die Übernahme von Verantwortung soll weitere Institutionen motivieren, ein Jahr später ähnliche Schritte zu wagen.
Der „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit“ ist ein Ritual, um den Dialog und die Annäherung zwischen politischen regierenden Institutionen und der Bevölkerung zu fördern. Gerade in Köln ist dieses Verhältnis nach den vielen Skandalen der letzten Jahrzehnte stark zerrüttet, zuletzt durch den Einsturz des Stadtarchivs im März 2009.
An einem Tag pro Jahr erobern Umweltinitiativen, Zivilgesellschaft und Kultur die Stadt zurück und regieren sie gemeinsam. Durch diesen symbolischen Akt wird die politische Partizipation, die Übernahme von Verantwortung und die Mitgestaltung der Stadtentwicklung durch die BürgerInnen gefördert. Es ist die wegweisende Lehre der Politikwissenschaftlerin und Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom: Eine stärkere Kooperation unter den „Nutzern“ macht eine nachhaltige Selbstverwaltung des Gemeingutes möglich, in diesem Fall: der Stadt.
Entscheidend für das Gelingen des Prozesses ist der erste Transformationsschritt, der für das Jahr 2013 geplant ist: die Einführung eines jährlichen autofreien Sonntags in Köln. Dieser Schritt bildet den Kern des jährlichen „Kölner Sonntags der Nachhaltigkeit/Tags des guten Lebens“.
Der erste „Sonntag der Nachhaltigkeit / Tag des guten Lebens“ ist für den 22. September 2013 geplant. Von 9 bis 19 Uhr steht ein breiter zusätzlicher öffentlicher Raum BürgerInnen, BesucherInnen, Künstlern, Kreativen, Radfahrern, Umweltinitiativen, Biobauern aus der Region und vielen weiteren Akteuren des täglichen Lebens zur Verfügung. Einerseits wird der Stadtteil Ehrenfeld für den individuellen motorisierten Verkehr gesperrt. Andererseits stehen die unterirdischen U-Bahn-Stationen sowie fahrende Busse und Bahnen der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) im ganzen Stadtgebiet als öffentliche Räume für kreative oder umweltpolitische Aktionen zur Verfügung. Im Bereich des KVB sind Bus- und Bahnfahrten kostenlos, u.a. um Autofahrer zu motivieren, dauerhaft auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Das Zentralprogramm des ersten „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit / Tag des guten Lebens“ hat den Schwerpunkt „nachhaltige Mobilität“. Das Thema wird auf vielfacher Weise multidimensional (das heißt aus ökologischer, sozialer, kultureller und ökonomischer Perspektive) betrachtet.
Die autofreien Straßen bieten an diesem Tag einen zusätzlichen öffentlichen Raum, der einem Labor der Demokratie, der Kreativität und des „Buen Vivirs“ zur Verfügung steht. Darauf werden öffentliche Debatten stattfinden, aber auch sportliche Aktivitäten oder gemeinsame Picknicks nach dem Vorbild des erfolgreichen Projektes „Still Leben Ruhrschnellweg A40 / Ruhr.2010“. Die Universitäten und die Fachhochschulen veranstalten Seminare über die Bildungspolitik oder Peak-Oil unter freiem Himmel, in U-Bahn-Stationen oder in Fahrenden Straßenbahnen. Theater organisieren Aufführungen auf der Straßen während KünstlerInnen die eigenen Werke im öffentlichen Raum ausstellen. Die Bauern aus der Region präsentieren die eigenen Produkte in Straßenmärkte und stärken somit regionale Wirtschaftskreisläufen. Die Nachbarschaften könnten an dem Tag die eigene Straßen gestalten und sich zu der Bildung von „Transition Neigbourhoods“ entschließen.
Die Rückeroberung der Stadt durch ihre BürgerInnen wird symbolisch durch die „Kölner Fahrrad-Sternfahrt“ dargestellt. Diese bereits existierende Veranstaltung wird ab 2014 von Juni auf September verlegt.
Eine solche Umgestaltung bedeutet einen Image‐Gewinn für die Stadt und macht sie zum Vorreiter einer Transformation, die auch anderen Städten bevorsteht (z.B. Ölknappheit). Die Bevölkerung wird schrittweise auf die kommenden Veränderungen vorbereitet und erlebt an einem Tag im Jahr die eigene Stadt ganz anders. Das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Stadt werden gestärkt.
In der vorgeschlagenen Strategie spielt der Prozess eine mindestens genauso wichtige Rolle wie die Ziele. Der „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit / Tag des guten Lebens“ verleiht Akteuren aus Umwelt, Zivilgesellschaft und Kultur eine wichtige Rolle neben Politik und Wirtschaft in der Bestimmung der Stadtentwicklung.
Bisher wurde das Projektkonzept von 50 Organisationen, Initiativen und Unternehmen unterzeichnet. Aus dem wachsenden Kreis der UnterstützerInnen soll ein „Parlament der Umwelt, Zivilgesellschaft und Kultur“ gegründet werden. Diese Institution wird über den „Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit / Tag des guten Lebens“ hinaus, den gesamten Transformationsprozess gestalten.
Für die tatsächliche Organisation des Tages und des Prozesses wäre ein Managementbüro zuständig, das irgendwann in eine „Agentur für zukunftsfähige Stadttransformation“ umgewandelt werden kann.
# Die erste Projektphase #
In der ersten Projektphase werden folgende Ziele verfolgt:
a) Die Bildung einer breiten lokalen Bewegung, die gleichzeitig sozial-, kulturell- und umwelt-orientiert ist. Die Vernetzung von Akteuren aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen soll mittelfristig in die Gründung eines gemeinsamen „Parlaments“ münden. Bei dem Treffen des Netzwerkes am 8.9.2012 in der Kölner ecosign/Akademie für Gestaltung wurde ein Beirat gegründet, in der die neue lokale Bewegung eine erste gemeinsame Vertretung findet.
b) Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, um die o.g. Bewegung zu erweitern und um die Institutionen der Stadt (z.B. die Stadtbezirke Innenstadt und Ehrenfeld sowie die betroffenen Teile der Stadtverwaltung) zu dem Beschluss zu bewegen, einen jährlichen autofreien Sonntags einzuführen und zu unterstützen. Der angestrebte autofreie Bereich ist erst einmal der Stadtteil Ehrenfeld (der Ehrenfelder Bürgermeister Josef Wirges unterstützt das Vorhaben), danach (ab 2014) das 2012 erweiterte Gebiet der Umweltzone. 2013 wird man also mit einem für Köln realistischeren Pilotprojekt in einem kleineren Stadtgebiet starten.
c) Die Weiterentwicklung und Verfeinerung des Konzeptes, der Aufbau der Organisation, die Zusammenstellung der Ressourcen und die Beantragung der Fördermittel, die für die Realisierung der ersten drei „Kölner Sonntage der Nachhaltigkeit / Tage des guten Lebens“ (2013-2016) notwendig sind. Welche Gesetze und Normen müssen bei der Organisation einer solchen öffentlichen Veranstaltung berücksichtigt werden? Was kosten die verschiedenen Module und eines solchen Tags insgesamt? Um solche Fragen zu beantworten sind eine umfangreiche Recherche und viele Gespräche nötig.
Um diese Zwischenziele zu erreichen, sind eine Reihe von Maßnahmen notwendig, die in den nächsten Seiten detaillierter beschrieben werden. Für ihre Realisierung steht das Institut Cultura21 e.V. (www.cultura21.org) als gemeinnütziger Träger des Prozesses zur Verfügung.
#Zur Vertiefung#
In der Datei anbei finden Sie folgende Dokumente:
– Vollständige Liste der Organisationen hinter dem Projekt;
– Vollständiges ursprüngliches Konzept
– Protokoll des ersten Treffens des Netzwerkes am 8.9.2012 (von allen 50 Organisationen zugestimmt).
Institut Cultura21 e.V.
Nikolausstr. 147