Das am 1. Mai 2012 in Kraft getretene Tariftreue- und Vergabegesetz in Nordrhein-Westfalen (TVgG-NRW) verpflichtet die Beschaffungsverantwortlichen in NRW, umweltverträglich und sozial verantwortlich einzukaufen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat Nordrhein-Westfalen den Anwendungsbereich nicht auf bestimmte Produktgruppen beschränkt, sodass das Gesetz auch für bekanntermaßen „schwierige“ Produktgruppen wie die Informations- und Kommunikationstechnologie wie z. B. Computer, Server, Smartphones usw. anwendbar ist.
Diese Forderung ist dringend notwendig. Denn die IKT-Produktion ist entlang der gesamten Wertschöpfungskette in hohem Maße von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung geprägt. Sämtliche IT-Unternehmen haben sich für eine größtmögliche Auslagerung der Produktion in Niedriglohnländer entschieden, in denen Umweltschutz wie auch die Rechte der Arbeiter/-innen missachtet werden. Hierzu gehören hohe Jobunsicherheit, niedrige Löhne unterhalb des Existenzminimums, exzessive Arbeitszeiten, Diskriminierung von Wanderarbeiter/-innen, mangelhafte Arbeitsschutzmaßnahmen und ein höchst gewerkschaftsfeindliches Verhalten vieler Unternehmen.
Für ethisch bewusste Konsument/-innen ist die Situation schwierig, da bislang noch kein „faires“ IT-Produkt auf dem Markt zu finden ist. Gerade wegen dieser aussichtslos scheinenden Marktsituation können Großeinkäufer/-innen wie öffentliche Vergabestellen bei der Verbesserung der Bedingungen in diesem Sektor eine Schlüsselrolle spielen. Denn öffentliche Ausschreibungen erfolgen meist in mehrjährigen Rahmenverträgen und zu hohen Auftragsvolumina. Damit verfügen die Vergabestellen über eine enorme Marktmacht, die sie zu strukturellen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen einsetzen können und sollten.
Ob und inwieweit ökologische und soziale Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe Berücksichtigung finden, entscheidet sich maßgeblich in der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Vorschriften und in der Unterstützung der Beschaffungsverantwortlichen unmittelbar im Verwaltungsalltag. Hier setzt WEED mit seinem Projekt „Nachhaltige IT-Beschaffung in NRW“ an, das von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert wird.
Unser Projekt richtet sich an:
- Entscheidungsträger/innen aus Verwaltung und Politik
- Multiplikator/innen der nordrhein-westfälischen entwicklungs- und umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen und der Gewerkschaften
- Fachjournalisten/innen und Fachpublikum
- interessierte Bürgerinnen und Bürger in NRW
Unsere Aktivitäten umfassen unter anderem:
- Studien und Hintergrundmaterialien
- Schulungen zu IT-Beschaffung für Beschaffungsverantwortliche
- Praxisorientierte Hilfestellungen für die einkaufenden Stellen
- Erfahrungsaustausch und Fachtagungen
- Beratung und Vermittlung von Expert(inn)en
- Informationsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit
- Advocacy-Arbeit zusammen mit dem Bündnis öko-soziale Beschaffung in NRW, wie z.B. der Appell „Für ein faires NRW“ oder die Handlungsempfehlungen für die Novellierung des TVgG-NRW
Aktuelle Publikationen behandeln u.a. den Einsatz von Chemikalien und die Verhinderung von Gewerkschaftsbildungen in der IKT-Industrie in Südkorea und China (Zeit für einen Wandel – IKT-Arbeitsbedingungen in Asien und die Rolle der öffentlichen Beschaffung), die Arbeitsbedingungen bei vier Dell-Zulieferern in China (IT-ArbeiterInnen zahlen immer noch den Preis für billige Computer) und stellen das komplexe Produktionssystem des IT-Sektors, Überblick über die wichtigsten Stakeholder und Produktionsländer und Analyse der Hebelwirkung des öffentlichen Einkaufs vor (Die globalisierte Informations- und Kommunikationsbranche – Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Beschaffung auf die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette).
Mit unseren Infoblättern wollen wir aber auch Bürger/-innen in NRW weitere Informationsquellen IT-Arbeitsbedingungen nennen und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, z.B. an Universitäten in NRW oder zur Vermeidung von Elektroschrott, beispielsweise in Repair-Cafes in NRW.
Fachkonferenz für sozialverträgliche Beschaffung von IT-Hardware im November 2015
Am 16./17. November findet unsere Fachkonferenz zu sozial verantwortlicher IT-Beschaffung in Gelsenkirchen statt. Ziel der Konferenz ist ein aktiver Austausch zwischen Bürger/-innen, Beschaffungsverantwortlichen, Landespolitik, NGOs und IT-Unternehmen über die Möglichkeiten der öffentlichen Hand, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen IT-Industrie beizutragen. Interessante Referent/-innen aus China und mehreren europäischen Ländern berichten über Arbeitsbedingungen in der IT-Industrie und Ansätze sozialverträglicher öffentlicher Beschaffung.
Weitere Informationen hier: http://www2.weed-online.org/uploads/save_the_date_it_fachkonferenz.pdf
Kontakt
WEED e.V. – World Economy, Ecology & Development
Eldenaer Straße 60, 10247 Berlin
Tel.: +49 (0)30 – 280 418 11
Fax: + 49 (0)30 – 275 969 28
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.weed-online.org