„BNE-Grundlagenwissen kann sehr gut mit Lernvideos vermittelt werden“, erklärt Nadine Dembski von der Virtuellen Akademie Nachhaltigkeit im Interview mit NRW denkt nach(haltig). Es müssen aber nicht immer Expertenvorträge sein, die Zuschauer(inne)n Grundlagen der Nachhaltigkeit nahe bringen. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW geförderte Projekt „Green Movie – Green Media“ der Tropenwaldstiftung OroVerde wurde 2014 im Wettbewerb von NRW denkt nach(haltig) ausgezeichnet, weil es zeigt, wie Nachhaltigkeitskommunikation auf innovative und witzige Weise per Webvideo geschehen kann:

Das Themenspecial „Nachhaltigkeitskommunikation per Webvideo“ stellt als Ergänzung des Beitrags „Von Youtubern lernen“ aus dem Handbuch „Medien und Nachhaltigkeit“ verschiedene Webvideo-Kampagnen, -Projekte und -Angebote aus dem Nachhaltigkeitsbereich vor und erklärt, was einen „nachhaltigen“ Youtube-Clip ausmacht.

Youtube: Viel und bunt
Jede Minute werden 300 Stunden Videomaterial auf Youtube hochgeladen. Das berichten die Youtube-Statistiken mit dem Stand Mai 2015. Weltweit gibt es über eine Milliarde Youtube-Nutzer(innen). Die JIM-Studie 2014 zeigt: Bei deutschen Jugendlichen ist die Videoplattform das beliebteste Internetangebot – noch vor Facebook. Dass auch ältere Generationen Youtube bereits entdeckt haben, wurde in der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013 bestätigt: Unter 40-49-Jährigen nutzen beinahe zwei Drittel Youtube. Bei den Internet-Usern zwischen 60 und 69 sieht sich jeder Vierte gelegentlich Clips auf Youtube an.

Aber nicht nur die Masse an Videos und die Zuschauerschaft auf Youtube sind groß, in den letzten zehn Jahren hat sich auf Youtube auch eine Vielfalt an Video-Genres herausgebildet. Viele davon sind auch für die Nachhaltigkeitskommunikation nutzbar.

Erklärvideos
Die Stärke von Erklärvideos liegt darin, dass schwierige Themen einfach und zielgruppengerecht vermittelt werden. Dem Trend der Erklärvideos von bekannten Youtubern wie „Doktor Allwissend“ folgt z.B. das Glossar „Rechtsextremismus“ der Bundeszentrale für politische Bildung. In diesen Videos erklären junge Menschen Begriffe wie „Rassismus“ mit einfachen Worten, ohne viele Hilfsmittel und in wenigen Minuten. Ist ein Video vorbei, steht in der Playlist (Wiedergabeliste) schon der nächste Clip bereit.

Anders als z.B. im Fernsehen besteht auf Youtube die einfache Möglichkeit des Rückkanals über die Kommentarfunktion oder andere Soziale Medien: Nutzer(innen) können wertvolles Feedback geben und mit einbezogen werden. Zum Beispiel können Themenwünsche abgefragt werden oder es entsteht eine Diskussion mit den Zuschauern über die Inhalte. So geschieht das zum Beispiel bei PoliWHAT?!, einer Serie an Erklärfilmen zum Thema Politik für Jugendliche, bei der Beteiligung ausdrücklich gewünscht ist. Das Video zum Thema „Zivilgesellschaft“ wird z.B. vom Aufruf begleitet, in der Kommentarspalte zu erzählen, in welchen Vereinen oder Verbänden sich die Zuschauer(innen) engagieren.

In diesen Videos sprechen die Jugendlichen direkt in die Kamera und direkt zu einem gleichaltrigen Publikum. Die Atmosphäre ist weniger formal als bei einem Lernvideo, denn Sender und Empfänger begegnen sich auf Augenhöhe. Damit folgen die Videos dem Prinzip der Peer-Education: Gleichaltrige vermitteln Wissen an Gleichaltrige, indem sie sich auf derselben sprachlichen/kommunikativen Ebene begegnen. Besonders geeignet ist diese Art der Wissensvermittlung für Fragen, die man Erwachsenen oder Lehrkräften nicht stellen würde, weil das Thema „peinlich“ ist (z.B. Sexualaufklärung), weil es aus der jugendlichen Lebenswelt kommt (z.B. Mediennutzung) oder weil die Antworten, die man bisher bekommen hat zu unverständlich waren (z.B. Politik).

Für das Vermitteln von Fakten und komplexen Zusammenhängen hat sich auf Youtube zudem das Genre der animierten Erklärvideos bewährt. Im Vergleich zu den Videos in denen Expert(inn)en persönlich ihr Wissen präsentieren, bieten animierte Videos den Vorteil, dass sich schriftliche Informationen und Grafiken flüssiger in das Videogeschehen einbinden lassen. Komplexe Zusammenhänge, wie Umweltbelastung durch Tourismus können so als animierte Karten und  Schaubilder vermittelt werden. Diesem Ansatz folgen die Clips von WissensWerte.

Besonders beliebt und auch schon mit einfachen Mitteln zu produzieren sind Erklärvideos die auf „handgemachte“ Animation setzen, z.B. durch Zeichnungen und Handschrift oder Stoptrick-Animation, bei der aus Einzelaufnahmen ein bewegtes Bild zusammengesetzt wird. Beispielhaft ist hier die „About Change“-Kampagne der BUNDjugend: Papier, Stift, Kamera – fast fertig!

Web-TV
Unter Web-TV versteht man im Allgemeinen Bewegtbild bzw. Video, das Browser-basiert im Internet abrufbar ist.  Aus „Web-TV“ als Kombination von Internet und Fernsehen ergeben sich interessante Möglichkeiten, bekannte Strategien aus dem TV mit neuen Funktionalitäten des Webs zu verbinden.

Sehr nahe an klassischen Service-Magazinen aus dem Fernsehen sind z.B. die Gartentipps von Gartenzwerg TV. Das Start-Up hinter dem Web-TV-Sender wurde von zwei Journalistinnen aus dem Bergischen Land mit Hilfe eines Stipendiums des Mediengründerzentrum NRW gegründet. Während aus dem Fernsehen das Format des Service-Magazins übernommen wurde und „Gartenzwerg TV“ wie ein Sender als Marke hinter den Inhalten steht, folgen die Ansprache der Zuschauer(innen) und die Ästhetik des Videos dem Stil von Tutorials (Videoanleitungen) auf Youtube. Schritt für Schritt wird zum Beispiel erklärt, wie man einen wildtierfreundlichen Garten gestalten kann.

Aufsehen erregte im letzten Jahr die Dokumentation „Sweatshop – Deadly Fashion“ aus Norwegen, die online auf der Website der Tageszeitung Aftenposten veröffentlicht wurde. In ihrer Versuchsanordnung Teenager in eine Textilfabrik in Kambodscha zu schicken, bezog sich die Web-Doku ganz klar auf Formen des Reality TVs, aber nutzte dieses Format, um eine ernste Botschaft über Arbeitsbedingungen in der Kleidungsindustrie zu vermitteln. Dass diese Strategie funktioniert hat, zeigt sich daran, dass das Norwegische Parlament aufgrund der Doku bereits über Arbeitsbedingungen in der Kleidungsindustrie debattiert hat und die Videoserie auch in vielen anderen Ländern verbreitet wurde.

Joakim Kleven, der Regisseur der Doku, selbst erst Anfng 20, war selbst vom Erfolg der Serie überrascht:

„Ich hätte nicht gedacht, dass es so groß werden würde. Aber natürlich wollten wir mit der Serie etwas verändern. Tatsächlich hat sie jetzt über 1,5 Millionen Views. Und in Norwegen leben nur fünf Millionen Menschen. Die Filme haben auch in Spanien, Belgien, Mexiko und Argentinien Diskussionen ausgelöst.“

Zwar von einem Fernsehsender aber ganz anders als Fernsehen kommen die multimedialen Web-Dokus von Arte daher. Für den Grimme Online Award 2015 nominiert ist das Projekt Refugees – 4 Monate, 4 Camps, das Zuschauer(innen) einlädt, in der Rolle von Journalist(inn)en virtuell Flüchtlingscamps in Nepal, dem Irak, dem Libanon und Tschad zu erkunden.

Hier werden die interaktiven Möglichkeiten des Webvideos ausgenutzt, da es mit anderen Medien und Inhalten kombiniert wird und sich User ihren eigenen Weg durch das Angebot klicken können. Damit versucht die Web-Doku der Komplexität der Flüchtlingsthematik gerecht zu werden. Der Projektmanager Donatien Huet erklärt hierzu:

„Neben den Beiträgen von Künstlern – Filmemachern, Fotografen, Autoren und Zeichnern – war uns wichtig, auch den Web-Nutzer zu einem Akteur zu machen und ihn nicht mit der bloßen Zuschauerrolle abzuspeisen.“

Durch die aktive Rolle als Journalisten in der Web-Umgebung sind die User herausgefordert, eine Vielzahl von Informationen zu verarbeiten und sich damit Wissen anzueignen.

Nachhaltigkeitsbotschaften neu verpacken
Die Informationsvermittlung oder der Lerneffekt müssen in der Gestaltung von Webvideos zum Thema Nachhaltigkeit nicht immer im Vordergrund stehen. Auch mit Satire und Comedy lassen sich ernsthafte gesellschaftliche Themen vermitteln. Der Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen stellt sich zum Beispiel mit dem Video „Konsumieren und Gutes tun! Hühnchen für Afrika“ ganz provokant vor, wie es denn wäre, wenn man Essensreste wirklich zu „den hungernden Kindern in Afrika“ schicken würde.

Im ersten Teil des Clips wird mit den Konventionen der Fernsehwerbung gespielt: eine glückliche Familie, ein paar Stimmen von Verbraucher(inne)n, fröhliche Musik und lustige Animation. So verpackt wird die Absurdität des Gedankens Essensreste nach Afrika zu schicken unterstrichen und gleichzeitig Spannung aufgebaut, denn man möchte wissen, wer hinter dieser Kampagne steckt. Die Auflösung bieten die letzten Sekunden des Videos: Unterlegt von ruhigerer Musik wird in Bild und Text erklärt, warum der Export von Billigfleisch nach Afrika die Anbieter vor Ort schädigt. Am Ende gibt es einen Link zur Organisation, die für das Video verantwortlich ist sowie zu mehr Informationen zum Thema Fleischexporte.

Mit Zombies für den Klimaschutz hat auch das Bundesumweltministerium hat im vergangenen Jahr auf Absurdität gesetzt. Insgesamt wurden die Videos der Kampagne innerhalb von vier Wochen drei Millionen Mal angeklickt. Michael Adler, dessen Agentur mit für die #ziek-Kampagne verantwortlich war, erklärt:

„Mit […] den hollywoodesken Kinospots versuchen wir die Zielgruppe, die bisher Klimaschutz nicht als ihr Ding begriffen hat, mit dem Thema in Kontakt zu bringen. Das funktioniert über das überraschende und witzige Einfliegen des Themas über Zombies-, Sex- und Macho-Geschichten. Wir erzählen eine kleine Geschichte, die Interesse weckt und das Zuhören der Zielgruppe möglich macht und dann setzen wir die überraschende Botschaft des Lichtlöschens oder Radfahrens.“

Verknüpft sind die Videos zudem mit einer Kampagnen-Website auf der sich junge Blogger(innen) ebenfalls per Youtube-Video an die Zuschauer wenden und von ihren Projekten und ihrem Engagement für mehr Nachhaltigkeit berichten. Mit dabei ist zum Beispiel Martin Randellhoff, der 2012 für sein Blog „Zukunft Mobilität“ mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Mit den kurzen Portraits der Engagierten bekommen Nachhaltigkeitsthemen ein Gesicht und werden damit zugänglicher. Angesprochen wird in der Kampagne ebenso, was der Einzelne durch Verhaltensänderung zu mehr Klimaschutz beitragen kann. Die Zuschauer(innen) erhalten so von den Videos nicht nur Informationen, sondern auch einen sofortigen Nutzwert.

Weitersehen

  • In ihrem Artikel „Jugendgruppen 2.0: Gründung und Betreuung von Jugendgruppen mit Hilfe Neuer Medien“ im Handbuch Medien und Nachhaltigkeit berichtet Marie Joram von der „Neue Medien Initiative“ der BUNDjungend NRW. Im Rahmen der Initiative haben sich mehrere Jugendgruppen gebildet, die Webvideos zu Nachhaltigkeitsthemen und Aktionen der BUNDjugend produzieren. Über die Erfahrungen und die Hintergründe der „Neue Medien Initiative“ spricht Marie Joram außerdem im Interview mit NRW denkt nach(haltig). In den Artikeln finden sich konkrete Tipps zur Videogestaltung und zur Videoarbeit mit Jugendlichen.
  • In einfacher technischer Umsetzung werden beim Digital Storytelling Menschen angeregt, ihre Geschichte als Video zu erzählen. Digital Storytelling wird im Handbuch „Medien und Nachhaltigkeit“ als Methode zur Nachhaltigkeitskommunikation genauer vorgestellt.
  • Noch mehr audiovisuelle Inspiration zu Webvideo und Nachhaltigkeit bieten Clipsammlungen wie die des Portals Globales Lernen.
  • Übrigens: Auch wer keine eigenen Youtube-Clips produzieren kann oder möchte, kann trotzdem auf der Plattform aktiv werden und Playlists mit seinen Lieblingsvideos anlegen, die ein Thema behandeln, zu dem man informieren möchte.

Projekte

Green Movie. Green Media
Mit dem Film-Wettbewerb „Green movie. Green media“ rief die Tropenwaldstiftung OroVerde Jugendliche und junge Erwachsene auf, kurze Filmclips rund um das Thema Biologische Vielfalt & Konsum zu entwickeln. Ziel war es, mit den Filmclips zu einem umweltbewussten Handeln zu motivieren – und dabei die Motivationen der jeweiligen Zielgruppe zu berücksichtigen. Neben den Video-Clips ist im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW geförderten Projektes ein Leitfaden entstanden, der Praxistipps für Anregungen für neue Ansätze der Nachhaltigkeitskommunikation bietet. basiert auf Erkenntnissen aus der Hirnforschung wie sie auch in der Werbebranche eingesetzt werden. Der Leitfaden zur Umweltkommunikation kann online gelesen werden. Die gedruckte Broschüre ist bei OroVerde kostenlos bestellbar.

WissensWerte Animationsclips
Das WissensWerte Projekt des Vereins /e-politik.de/ e.V. produziert seit 2010 eine Reihe von kurzen Animationsfilmen zu politischen Themen. Viele der Themen wie Globalisierung, Welthandel, Menschenrechte oder Biodiversität sind im Themenbereich des Globalen Lernens angesiedelt. Die Filme haben eine Creative Commons BY-SA Lizenz und können kostenfrei genutzt werden.

Video-Wettbewerb 2015 WeTube im Rahmen der Kampagne „Schule der Zukunft – Bildung für Nachhaltigkeit“
Die Schüler(innen) der teilnehmenden Schulen der Kampagne „Schule der Zukunft – Bildung für Nachhaltigkeit“ sind eingeladen, ihre Projekte im Video zu präsentieren und zeigen, wie die Zukunft lokal – regional – global – „nachhaltiger“ gestaltet werden kann. Die Videofilme sollten nicht länger als 7 min. dauern und bei YouTube veröffentlicht sein. Der Titel des Videos sollte den Passus „Schule der Zukunft“ enthalten. Die drei besten Videobeiträge werden als Preisträger ausgezeichnet.

Jugendfilm-Wettbewerb „tvebiomovies“
Der Filmwettbewerb tvebiomovies2015 wendet sich über das Internet an alle Menschen weltweit mit der Herausforderung, ein aktuelles Umweltthema zur Nachhaltigen Entwicklung in einem kurzen Video anzupacken. Der Film kann lustig oder ernst sein, es kann eine Animation, eine Spielszene oder eine Dokumentation sein.Der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Mean, but Green – Virale Clips zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit
Im Rahmen des künstlerischen Forschungsprojekts „Mean, but Green“ an der Internationalen Filmschule Köln haben Studierende virale Videoclips zum Thema Klimaschutz entwickelt und produziert. Die Projektleitung lag bei Dr. Andrea Gschwendtner. Unterstützt wurde das Projekt vom KlimaKreis Köln, der ProÖko Servicegesellschaft sowie einem bundesweiten Verband von 50 Unternehmen des Möbelhandels. Entstanden sind acht Filme, die anstatt auf erhobene Zeigefinger auf überraschende Plot-Twists und schwarzen Humor setzen. Alle Videos sind online über www.mean-but-green.de zu erreichen.

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